Ökologische Mode - fair produziert
Ökologische Mode - fair produziert

MODE, DIE GUT TUT

Das Magazin "MEILE BEWEGT" im Gespräch mit Reinhard Maas 

Lesen Sie hier das Interview des Magazins "MEILE BEWEGT" mit Reinhard Maas, dem Gründer und Geschäftsführer von Maas Natur. Sie können es alternativ auch hier als PDF-Dokument herunterladen.

Was ist für Sie ein bewusster Umgang mit Mode, der uns gut tut?
Was uns gut täte wäre, nicht immer wieder nach dem Neuem zu heischen. Wir können Textilien wertschätzen und solange tragen, wie sie schön sind und nicht dem schnellen Wandel der Mode hinterherrennen. Wir bei Maas Natur achten deshalb sehr darauf, dass man die Kleidungsstücke aus der vorherigen Saison gut mit neuen Teilen kombinieren und modisch zusammen tragen kann.
Das System der konventionellen Modeanbieter mit einem monatlichen Kollektionswechsel kann unsere Welt nicht mehr gebrauchen und schon lange nicht mehr verkraften.

Tun die Coronahilfen der Modebranche gut?
Gerade aktuell, durch die Coronahilfen können die Modehersteller Altbestände bis auf 90% herunterschreiben, die als Fixkosten erstattet werden. Die Regierung übernimmt dafür die
Kosten. Das geht eigentlich gar nicht. Und dann ist es noch einfacher, Altbestände zur Vernichtung freizugeben. Das ist eine kolossale Verschwendung von Ressourcen, Energie, Arbeits- und Wirtschaftskraft.

Wie ist ihre Einstellung zum Lockdown?
Der Textilfachhandel und auch alle anderen Einzelhändler brauchen eine faire Chance, die Läden wieder öffnen zu können. Mit einem vernünftigen Hygienekonzept haben wir dies bereits vor dem aktuellen Lockdown getan. Die Lebensmitteleinzelhändler wie Aldi und Lidl, Famila u.a. verkaufen Textilien ohne jede Einschränkung. Es geht mir persönlich nicht um eine staatliche Unterstützung,
jedoch um eine faire Chance. Die Politiker sind gerade anscheinend völlig überfordert. Sie können sich wohl nicht vorstellen, wie es den Menschen und Unternehmern geht. Es wird gar nicht überlegt, was ihre Entscheidungen für Folgen haben. Versorgungs- und Lieferketten werden unterbrochen. Alles gerät durcheinander. So macht man noch mehr kaputt, von dem, was aktuell noch funktioniert.

Wie gehen Sie als Unternehmer mit den sich ständig ändernden Verordnungen um?

Am wichtigsten ist mir, dass wir verlässliche Aussagen erhalten, damit wir überhaupt eine Zukunftschance haben und eine Perspektive entwickeln können. Zuerst sollte der Lockdown

bis zum 15.2. gehen. Darauf haben wir uns eingerichtet und neue Ware in unsere Läden gebracht. Nun hat man sich überlegt, den Lockdown um weitere drei Wochen zu verlängern. Die Vorbereitungen, um ein Geschäft wieder neu zu eröffnen, und die Planungen, wie viel Waren verkauft werden können, gehen jedoch nicht über Nacht. Und sehr wichtig sind uns unsere

Mitarbeiter*innen, für die wir uns verantwortlich fühlen. Sie benötigen alle eine Zukunftschance und Perspektive in ihrem Beruf. Und wir benötigen gut gelaunte und zuversichtlich denkende Menschen. So haben wir bis jetzt 100% Lohnausgleich gezahlt. Das war jedoch nur möglich, da wir trotz

der Krise gut über unseren Webshop verkaufen konnten. Die kleinen Einzelhändler haben diese Chance nicht und es geht ihnen viel schlechter als uns.


Lenkt uns Corona ab?

Ja. Alle anderen Probleme rücken in den Hintergrund, aber sie sind ja nicht weg, nur weil über Corona vordergründig berichtet wird. Wir dürfen den Blick darauf nicht verlieren, ob es nun um

unsere Kinder geht, die zu wenig Kontakt haben, die Einsamkeit der alten Leute, oder die Verzweiflung der Menschen, deren Arbeitsplatz nicht mehr sicher ist … Im Hintergrund „schmort“ es bereits sehr.

Schaut noch jemand auf die weltweiten Umweltprobleme?

Corona überdeckt alles mit einem Watteteppich und bremst Vieles aus. Die Ideen und Vorstellungen von Friday for future sind jedoch weiter aktuell und in den Köpfen vieler Menschen, dessen bin ich mir sicher, auch wenn weltweit gerade völlig außer Acht gelassen wird, das CO2 zu reduzieren und die Klimaerwärmung zu stoppen. Für 2021 haben wir uns auf die Fahnen geschrieben, an diesem

Thema weiter zu arbeiten. Wir haben Gespräche mit einem Forstwirt geführt, mit dem wir uns eine Patenschaft vorstellen können für eine größere Forstfläche. Das wäre etwas Greifbares und Reales. Das ist mir lieber, als Zertifikate zu kaufen und dadurch ein gutes Gewissen zu haben. Im Sinne der Gemeinwohlökonomie und einem bewussten nachhaltigen Umgang mit unserer Welt achten wir darauf, einen Ausgleich zu schaffen und umweltbewusst zu agieren. Wir produzieren unseren eigenen Strom auf dem Dach, haben E-Autos angeschafft und vermeiden soweit möglich CO2.

Möglichst kurze Transportwege sind uns wichtig und regionale Partner.


Es scheint eine Besinnung zu geben, Produktionsstätten wieder nach Deutschland zu holen.



Regionalität macht Sinn?

Wir haben zwei Strickereien vor Ort, mit denen wir sehr gut zusammen arbeiten. Gerade jetzt, da durch die Coronakrise Transportschwierigkeiten bestehen, ist es ein großes Plus für uns, dass unsere Lieferanten im nahen Umfeld sind. Wir freuen uns sehr, dass es noch Hersteller gibt, die in Deutschland produzieren. Es scheint auch einen Corona bedingten Trend und eine Besinnung

zu geben, Produktionsstätten wieder nach Deutschland zurückzuholen. Firmen, die in Fernost produzieren lassen, haben durch die Pandemie nun Probleme. Die Container sind knapp und

Frachtraten haben sich verdreifacht. So werden auch die „billig“ produzierten Produkte, die um die halbe Welt reisen, weniger Gewinn erbringen und noch fragwürdiger.

Was sagen Sie dazu, dass die EU weitere sieben Jahre konventionelle Landwirtschaft fördert ?

Das ist völlig daneben. Politikerin Frau Klöckner redet nur für die Interessen der Lebensmittelindustrie und der Bauern, die nicht einsehen, dass wir etwas ändern müssen. Der Verbraucherschutz gehört eigentlich auch zu ihrem Bereich. Den hat sie jedoch gar nicht mehr im Fokus. Ich empfinde sie als die schlechteste Besetzung seit langem.


Können wir selbst etwas tun oder nur die Politik?

Wenn wir auf die Politik warten, dauert es wahrscheinlich zu lange. Ich bin lieber jetzt aktiv und tue mein Möglichstes. Wenn das Viele machen, hat es eben doch eine Wirkung. Eigenes Handeln

verändert. Bestes Beispiel war aktuell die Schneekatastrophe. Viele Leute schienen hilflos und riefen bei den Ämtern an, dass da jemand zum Schneeräumen kommen müsse, anstatt selbst die Schüppe in die Hand zu nehmen und aktiv zu werden. Das scheint so typisch für unsere Gesellschaft

zu sein. Was ist mit den Menschen los? Wer anderen geholfen hat, wurde zum Teil ja sogar noch belächelt nach dem Motto: „Bist du blöd, dass du das machst… ist doch nicht deine Aufgabe…“. Wenn jeder nur das macht, was er machen muss, dann bleiben wir ein egoistisches Volk. Das bringt uns nicht weiter. Aus meiner Sicht tut uns Engagement auch selbst sehr gut. Und Freude und Dankbarkeit im Sinne des Miteinanders auch. Bevor ich mir ein neues Auto kaufe, kann

ich doch überlegen, ob ich es überhaupt brauche, und mit dem Geld z.B. Organisationen unterstütze, die etwas für das Allgemeinwohl tun und damit die Gesellschaft insgesamt stärken. – Und na klar, sollten wir auf jeden Fall auf die Politik schauen, wie viel sie beigetragen hat zum Allgemeinwohl und wer überhaupt noch wählbar ist, wer welche Interessen verfolgt, wem das Geld lieber ist oder eine gesunde Welt.


Jedes Textilstück aus Bio-Baumwolle schont die Böden, Insekten, Wasser und die Menschen.



Ökologische Mode tut allen gut?

Jedes Textilstück, das aus Biobaumwolle besteht, ist mit weniger Pestizideinsatz zu verbinden. Weniger Pestizide schonen das gesamte Ökosystem: Böden, Insekten, Wasser und die Menschen.

Das sollte jeder Verbraucher*in bewusst sein. In diesem Rahmen kann jeder Mensch etwas mit seiner Kaufentscheidung bewusst verändern. Naturtextilien schonen auch in anderen Bereichen die Umwelt. Wenn ich Kunstfasern wasche, gerät durch den Abrieb immer wieder Mikroplastik in das Wasser und damit in die natürlichen Kreisläufe. Naturfasern belasten das Wasser nicht.

Naturtextilien sind gut für unsere eigene Gesundheit?

Die Kleidung, die wir tragen, liegt täglich viele Stunden auf unserer Haut. Nicht nur über die Nahrung, sondern auch über die Haut können Schadstoffe in den Körper gelangen. Immer mehr Menschen achten mittlerweile darauf, was in den Textilien, die sie tragen, enthalten ist, denn viele reagieren mit Hautunverträglichkeiten und Allergien. Der Körper kann ganz anders atmen, wenn die Haut über Naturtextilien belüftet wird.


Kosten und Nutzen?

Das Argument, dass man sich ökologische Mode nicht leisten könne ist in sich nicht stimmig. Denn mit dem Kauf von Billigtextilien, die meistens nicht lange halten und daher schnell entsorgt werden, gibt man durch ständige Neukäufe wahrscheinlich mehr Geld aus als mit einem deutlich länger

haltbaren umweltfreundlich produzierten Textil, in dem sich der Mensch wohl fühlt und Haut und Mensch geschützt sind. Wir freuen uns über jeden Menschen, der sich über diese Dinge Gedanken macht. Es geht mir nicht um den erhobenen Zeigefinger. Jeder Mensch soll selbst entscheiden, was ihm gut tut oder nicht so gut tut und was mittel- und langfristig Sinn macht.


Wir danken unseren Kund*innen sehr, dass sie mitgeholfen haben, 250.000 Euro zu spenden.



Sie haben 250.000 Euro für wohltätige Zwecke gespendet. Trotz Corona und Lockdown war das möglich?

Da wir verschiedene Vertriebsquellen haben, konnten wir unsere Verluste durch den Webshop ausgleichen. Uns kam die Idee, die Mehrwertsteuer-Ermäßigung von 3% weiterzugeben

für wohltätige und ökologisch arbeitende Organisationen. Und wir sind unseren Kund*innen dafür sehr dankbar, dass Sie das unterstützt und damit mitgetragen haben. Es war eine tolle Erfahrung, dass auch in schwierigeren Zeiten gemeinsam Vieles möglich ist. Die Kund*innen haben jeden Monat von Juli bis Dezember 2020 über unseren Webshop vier Organisationen vorgeschlagen. Das gleiche System haben wir auch in unseren elf Läden realisiert. Jeden Monat wurde dort ein Projekt ausgewählt. So haben wir Obdachlose, alleinerziehende Mütter, Frauenhäuser, Baumpflanzungsprojekte, ökologische Stationen und auch einige nationale Projekte wie die Asylantenhilfe und die Seenotrettung unterstützen können.


Unabhängig davon fördern wir seit Jahren Projekte in Afrika. Auch Amnesty international

ist dabei. In Kenia haben wir ein soziales Projekt unterstützt, dass für Kinder eine Schule und ein Waisenhaus gebaut hat. Gerade jetzt entsteht dort ein Krankenhaus. Wir haben Ausbildungsplätze für Schneiderinnen eingerichtet. Im Prinzip ist das eine einfache Geschichte. Es geht darum, dass

die jungen Menschen nach der Schule eine vernünftige Ausbildung absolvieren können. So können sie sich eine kleine Selbständigkeit und mehr Unabhängigkeit aufbauen, anstatt auf der Straße zu stehen. Uns macht es sehr viel Freude, den Lebensweg dieser Menschen zu sehen und dass sie eine

Chance haben.

Überhaupt macht es uns Freude zum Wohle der Gemeinschaft agieren zu können. Vielleicht bewegt die Corona-Krise ein Umdenken.